
Schachspielen im Stadtpark, die neue Leidenschaft vom Boss. Letzten August, an einem der wenigen heißen Sommertage, wir kamen gerade vom Impfen zurück, kam der Boss auf die Idee, wir könnten ja noch ein wenig durch den Stadtpark schlendern. Da war es kühl und schattig, und ich durfte, weil ja frisch geimpft ohnehin nicht rum toben. Wir also ab in den Stadtpark. Sonst fühte uns der Weg durch den Stadtpark immer am Tiergehege vorbei, was mir große Freude macht. Da gibt es jede Menge an Getier, groß und klein zu begutachten. Aber diesmal landeten wir wie von unsichtbarer Hand gelenkt bei den Schachspielen. Damals hatte ich natürlich noch keinen blassen Schimmer, was da abging. Sah ein paar alte Männer, die irgendwelche Plastikfiguren auf einem Schwarz und Weiß kariertem Pflaster hin und her schoben. Erfreut war ich aber darüber, dass mein Freund Benny da war. Den hatte ich ja schon lange nicht mehr gesehen. Leider durfte ich an dem Tag ja nicht rumtoben, so eine Gemeinheit. Der Boss schien überrascht zu sein, den Boss vom Benny hier zu sehen. Dieser war der Jüngste, derer die Plastikfiguren hin und her schoben. Mich interessierte das nicht im geringsten. Ich war sauer, weil angeleint. Der Boss war fasziniert, so fasziniert, dass wir die drauf folgenden Tage auch wieder hingingen. Diesmal war es für mich schon interessanter. Durfte ich doch endlich mit dem Benny und auch noch ein paar anderen Hunden, die auch da waren rumrennen. Bin mir dann gleich mit einer Zicke, die meinte sie müsse ihren Ball verteidigen, ein wenig ins Gehege gekommen. War aber ein ganz harmlose Rangelei unter Artgenossen. Geärgert habe ich mich schon damals, und tue es bis heute, dass mich der Boss so in etwa nach einer Viertelstunde rumtollen wieder anleint, während die anderen, alles mehr oder weniger Schuhkarton- Exemplare, die ganze Zeit frei laufen dürfen. Dabei bin ich doch der weitaus vernünftigste Hund von allen. Aber was solls, der Boss ist eben noch vernünftiger und verantwortungsbewusster. Der Boss zunächst nur Zuschauer, starrte fasziniert auf das Pflaster und die Plastikfiguren und gab ein paar gutgemeinte Bemerkungen von sich. Schließlich durfte er dann auch mit machen, beim Hin und herschieben. Ab da war es um ihn geschehen. Seither ist er Tag ein Tag aus dort. Nur wenn das Wetter ist ein echtes Sauwetter ist lässt er den Termin sausen. Bis in den Spätherbst war ich immer dabei. Seit es draußen kalt ist lässt er mich für die zwei Stunden daheim. Find ich gar nicht mal so tragisch. Wir gehen vorher immer ausgiebig zusammen spazieren, und dann bekomme ich ein Schweineohr, welches ich genüsslich zerbeiße, während sich der Boss die Birne zermartert und nicht selten die Haare rauft. Nichts destotrotz freue ich mich schon auf den Frühling. Denke dann darf ich wieder mit.
Inzwischen weiß ich auch, was es mit der Plastikfiguren hin und her Schieberei auf sich hat. Ziel des Spiels ist es dem Gegner möglichst viele von seinen Figuren abzuknöpfen und die eigen dabei möglichst zu behalten. Irgendwann dann, wenn die Gelegenheit dazu günstig ist, meist, wenn schon die meisten anderen Figuren weg sind, den König des Gegners in einer ausweglosen Stellung zu bedrohen. Das ist dann Schachmatt, das Spiel ist vorüber, und der Verlierer flucht oder jammert.
Die Figuren haben dabei ganz unterschiedliche Funktionen, was sie dürfen oder nicht. Die wichtigste und stärkste Figur ist, wie im richtigen Leben auch, die Dame. Die darf fast Alles, wie im richtigen Leben. Vor, zurück, hin und her, quer und diagonal. Aber, genau wie im richtigen Leben , stellt sie auch den verletzbarsten Punkt des Schachspielers dar. Ist sie weg, ist da Leben nix oder nicht mehr viel wert. Meistens werden die Damen abgetauscht, sprich nimmst Du mir meine, nehm ich Dir Deine. Danach ist da Spiel dann ruhiger, aber auch langweiliger. Wie im richtigen Leben. Dann gibts da die Offiziere, insgesamt drei Paare davon. Jeder hat so seine eigenen Stärken und Schwächen, aber die beiden Türme werden immer noch als die überlegeneren eingestuft. Nimmt zu Beispiel einer einen Turm und muss dafür nur einen Springer, das sind die die wie Pferde aussehen, oder einen Läufer, dann heißt es man habe die Qualität gewonnen. Noch drastischer ist es wenn zu Tausch zwischen den Bauern, das sind die Kleinen, die typischerweise erst mal in vorderster Reihe stehen, und einem Offizier. Hat der Gegner seine Figuren so raffiniert platziert, dass er seinem Gegenüber eine davon wegnehmen kann, ohne Gegenleistung, so sagt dieser meistens Scheiße. Passen beide Gegner gleich gut auf, und keiner kann dem anderen etwas wegnehmen, ohne auch dafür gleichwertiges geben zu müssen sind zu guter Letzt nur noch der König mit ein paar wenigen seiner Untertanen auf dem Feld. Dann greift auch dieser, der vorher immer untätig und von ein paar armen Bauer geschützt, in einer Ecke steht ins Geschehen ein. Sie sagen dazu, Endspiel. Das wird dann nicht selten ein endloses hin und her Geschiebe, und endet meist darin, dass es einem der kleinen, vor kurzem noch als unwichtig eingeschätzten Bauern gelingt bis zur Grundlinie des Gegner vorzudringen. Dann wird aus dem Frosch nämlich ein Prinz, bzw. beim Schach eine Königin, sprich Dame. Der Gegner kapituliert dann, und erzählt irgendwelche wirres Zeugs, wann er wo hätte anders ziehen müssen, damit das Ende nicht so, sondern ganz anders gekommen wäre. Mit einem Sieg für ihn, oder wenigstens einem Unentschieden, genannt Remis.
Besonders belustigendes finde ich es, wenn Zuschauer dabei sind. Jeder ein selbsternannter Experte, der immer noch ein besseren Zug gewusst hätte. Und wiederum ein anderer einen noch besseren.
Der Boss findet das gar nicht so lustig. Ihn macht so etwas nervös und unkonzentriert, meint er.
Ich muss überhaupt feststellen, dass der Boss noch ein ziemlicher Dilettant auf dem Gebiet der Plastikfiguren auf kariertem Pflaster Schiebens ist. Meist verliert er, mal deutlich, mal knapp. Dann ist er traurig, und ich muss ihn wieder aufbauen. Leg mich dann immer ganz nah zum Kuscheln zu ihm hin. Manchmal hab ich richtig Sorge, dass er die Lust verliert, wenn er immer zweiter Sieger ist. Finde nämlich, es ist sehr gut für ihn jeden Tag, für ein paar Stunden, Abstinenz vom Blechdeppen (PC) zu üben.
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